Entgegen vorläufiger Ankündigungen heben die vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) ihre Entgelte für 2024 um mehr als 100 Prozent an. Grund dafür ist der Wegfall eines von Seiten des Bundes geplanten Zuschusses über 5,5 Milliarden (Mrd.) Euro. Verteilnetzbetreiber müssen die daraus resultierende Erhöhung nun neu berechnen und in ihren endgültigen Preisblättern zum Jahreswechsel ausweisen.
Belief sich der Kostenanstieg im bundesweiten Mittel* gemäß der von uns erfassten vorläufigen Preisblätter vom Oktober schon auf rund 11 Prozent (%), müssen sich Stromlieferanten auf nachträgliche Erhöhungen einstellen und diese in ihre Produktkalkulation einbeziehen. Für Energieversorger ergibt sich damit dringender Handlungsbedarf. Mit unseren Services und Tools informieren wir über die noch ausstehenden Änderungen der Netzentgelte zum Jahreswechsel, so dass Unternehmen ihre Tarife gezielt anpassen können.
Inzwischen durchkreuzte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes bezüglich der Umwidmung von 60 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt von 2021 (Zweiter Nachtragshaushalt) die Pläne der Bundesregierung. Weil der daraus gespeiste WSF Energie laut Bundesfinanzministerium zum Jahresende 2023 aufgelöst wird, sehen die gestern kommunizierten Verhandlungsergebnisse der Koalitionsspitzen zum Haushaltsfahrplan 2024 keinen Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten mehr vor.
Warum steigen die bundeseinheitlichen Übertragungsnetzentgelte überhaupt? Ihre Berechnung ergibt sich aus der Prognose der Kostenbasis (Erlösobergrenze; kurz: EOG) und den voraussichtlichen Absatzmengen für das Jahr 2024. Dafür sehen die ÜNB nach eigenen Angaben bei der EOG zwar im Vergleich zum Jahr 2023 gesunkene Kosten, diese lägen jedoch weiterhin auf einem hohen Niveau. Als Hauptursache für die Teuerung benennen die ÜNB das anhaltend hohe Preisniveau auf den Brennstoff- und Strommärkten. Diese wirkten sich insbesondere auf die Kosten für Redispatch, Netzreserve und die Vorhaltung von Regelleistung sowie für die Beschaffung von Verlustenergie aus.
Zunächst ergibt sich Handlungsbedarf bei den Verteilnetzbetreibern. Die aus dem Wegfall des ÜNB-Zuschusses resultierende Erhöhung macht eine Neuberechnung der Netzentgelte der nachgelagerten Ebenen erforderlich. Sie werden von den Verteilnetzbetreibern an die Stromlieferanten und von diesen an alle Kunden und Kundengruppen je nach Vertragslage weitergegeben werden müssen. Mit welchen Änderungen in den Verteilnetzen müssen Stromlieferanten und Verbraucher rechnen?
Wie aus einer Stellungnahme des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) hervorgeht, werde die exakte Höhe der anteiligen Kosten von Netzebene zu Netzebene unterschiedlich ausfallen. „So macht bei Haushaltskunden (in der Niederspannung) der Anteil der ÜNB-Entgelte an den Netzkosten einen Anteil zwischen 20 und 40 Prozent aus. Aktuell ist noch nicht verlässlich abschätzbar und bezifferbar, wie sich die dann gestiegenen ÜNB-Netzentgelte auf Kundenseite bei SLP- und RLM- Kunden auswirken werden“, erklärte Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU.
Unsere Analyse der von den Verteilnetzbetreibern vorläufig für 2024 veröffentlichten Netzentgelte zeigt Preistendenzen und regionale Unterschiede.
Wir haben im Oktober die vorläufigen Preisblätter der Verteilnetzbetreiber für 2024 erfasst und in unseren Systemen aufbereitet. Schon die vorläufige Indiktion ergab teilweise erheblich Änderungen. Fast alle Unternehmen haben ihre Kosten angepasst: knapp 9 von 10 nach oben – etwa jeder zehnte nach unten. Es zeigte sich folgende Preistendenz:
Ein Haushaltskunde mit Standardlastprofil (SLP) und einem jährlichen Stromverbrauch von 3.500 kWh in der Niederspannungsebene müsste im bundesweiten Durchschnitt* ab 2024 rund 10,5 ct/kWh (netto) an Kosten** für die Netznutzung inklusive Messstellenbetrieb zahlen. Das entspräche einer Erhöhung zum kommenden Jahr um rund 11,6 %. Damit würde die vorläufige Kostensteigerung für Haushaltskunden geringer ausfallen als zum Jahreswechsel 2022/2023, wo sie rund 17 % betrug.
Die Spreizung der vorläufigen Durchschnittskosten (netto) für einen Haushaltskunden bewegt sich 2024 im Bundesgebiet zwischen gerundet 5,18 ct/kWh (Stadtwerke Waldkirchen) und 22,24 ct/kWh (Heinzelmann Stromhandels- und Vertriebs-GmbH & Co. KG). Im Netzgebiet vom Energie- und Bäderbetrieb Hauenstein fällt die Entlastung zum Jahreswechsel mit 26,13 % anteilig am stärksten aus. Der Haushaltskunde müsste dort nur noch 8,39 ct/kWh (netto) berappen. Hingegen steigen die vorläufigen Kosten anteilig in der Spitze um 64,63 % bei den Ahrtal-Werken, wo ab Januar 2024 11,04 ct/kWh (netto) fällig würden.
Beispiele anderer Netzbetreiber im Süden oder Westen der Bundesrepublik, bei denen sich die Teuerung schon zu Jahresbeginn im zweistelligen Prozentbereich bewegte, kündigten im Oktober auch für 2024 größere Kostensteigerungen an. So z.B. die Bayernwerk Netz (+19,33 % auf 10,59 ct/kWh), die SWM Infrastruktur (+21,56 % auf 8,4 ct/kWh) in München und die N-ERGIE Netz (+22,93 % auf 9,15 ct/kWh) in Nürnberg. Anders verhält es sich beispielsweise bei der Pfalzwerke Netz, die Haushaltskunden gemäß vorläufiger Angaben ab dem kommenden Jahr mit einem Durchschnittspreis von 9,11 ct/kWh (netto) um rund 5,97 % entlasten würde.
Ein Auf und Ab mit durchschnittlichem Trend nach oben ist auch bei der vorläufigen Kostenentwicklung für andere Liefersituationen und Netzebenen zu konstatieren. Ein Gewerbekunde mit registrierender Leistungsmessung (RLM) und einem Jahresverbrauch von 50.000 kWh (50 kW) in Niederspannung müsste ab 2024 im bundesweiten Mittel* 11,19 ct/kWh (netto) bezahlen. Das entspräche einer Erhöhung um gerundet 11,4 %. Während die vorläufige Entlastung bei den Gemeindewerken Budenheim mit 36,82 % auf 10,55 ct/kWh (netto) anteilig am stärksten ausfällt, steigen die Kosten bei der EVU Langenpreising auf rund 10,93 ct/kWh (netto), was mit einer Erhöhung um +93,71 % fast auf eine Verdoppelung hinausliefe.
Für einen Industriekunden mit RLM und einem Jahresverbrauch von 500 Megawattstunden (250 kW) in der Mittelspannungsebene fallen vorläufig ab dem kommenden Jahr im bundesweiten Durchschnitt* 7,36 ct/kWh (netto) an. Das entspräche einer Erhöhung im Vergleich zu 2023 um gerundet 10,98 %. Anteilig am stärksten senken die Gemeindewerke Wadgassen die Netzgebühren vorläufig um 25,28 % auf 4,76 ct/kWh (netto). Hingegen entspräche die Verteuerung der Netzgebühren für den Industriekunden von Seiten der Stadtwerke Hettstedt auf rund 9,36 ct/kWh (netto) einer Erhöhung um 230,75 %.
Für einige Stromverbraucher ändern sich zum Jahreswechsel die Entgelte für die Netznutzung infolge von Netzabgaben beziehungsweise -übernahmen, wie folgende Beispiele zeigen: So gehen die Stromnetze der Gemeindewerke Röttenbach, der EW Grandl sowie der Eichenmüller in Pottenstein an die Bayernwerk Netz über. Während die Thüga Energienetze den Netzbetrieb für Rülzheim und Hördt übernimmt, werden in Dirmstein künftig die Stadtwerke Frankenthal zuständig sein. Die Avacon Netz gibt ihrerseits ein Konzessionsgebiet an die Halberstadtwerke ab. Von der Westnetz übernehmen die Regionetz in Ruppichteroth und die SWO Netz in Wallenhorst den Netzbetrieb.
Nachdem die Elektrizitätsgenossenschaft Hasbergen in 2023 den Stromvertrieb eingestellt hatte, wird ab 2024 die SWL Energienetz- und Entsorgungsgesellschaft der zuständige Netzbetreiber in Hasbergen sein. Die NordNetz hatte ihrerseits in diesem Jahr mit der Stadt Schenefeld Konzessionsverträge mit einer Laufzeit von 20 Jahren ausgehandelt. Sie wird dort zum Jahreswechsel den Netzbetrieb von der Schleswig-Holstein Netz übernehmen.
Die GET AG erfasst seit vielen Jahren die Preisblätter, Stammdaten und Gebietsinformationen der Strom- und Gasnetzbetreiber in Deutschland und bereitet diese für Versorgungsunternehmen und ihre Dienstleister in verschiedenen Formaten auf. Energievertriebe sind damit in der komfortablen Lage, bundesweit Tarife mit lokalspezifischen Netz- und Messkosten zu kalkulieren, ihre Kunden abzurechnen und eine Rechnungseingangsprüfung vorzunehmen. Und dank der umfassenden und variablen Datenverfügbarkeit können EVU ihre digitalen Prozesse optimieren, aufwändige manuelle Tätigkeiten vermeiden und die Transparenz erhöhen.
Die aufbereiteten Entgelt- und Netzbetreiberinformationen werden als Rohdaten oder bedarfsweise per Webservice gleich mit vorberechneten Werten bereitgestellt. Darüber hinaus bieten Use Cases im cloudbasierten Cockpit zum einen Marktanalysen für unterschiedliche Netzebenen und Kundenprofile. Zum anderen können mit Netzentgeltrechnern die Kosten für einzelne Abnahmestellen oder für Bündelkunden per Knopfdruck ermittelt werden.
Außerdem greifen Pricing-Tools im Cockpit bei der Kostenkalkulation für Bestands- oder Neukunden automatisch auf die netzbezogenen relevanten Preiskomponenten zu. So lassen sich Produkte für Strom-, Heizstrom-, Gas- oder E-Mobil-Kunden bequem kalkulieren und Preislisten revisionssicher erstellen.
Ausblick: Der deutliche Anstieg der Übertragungsnetzentgelte ab 2024 wird sich anteilig in den neu zu kalkulierenden finalen Entgelten der Verteilnetzbetreiber wiederfinden. Für Energievertriebe ergibt sich dringender Handlungsbedarf. Sie müssen finale Preisanpassungen in ihrer Tarifierung berücksichtigen und je nach Vertragslage an ihre Kunden frühzeitig kommunizieren. Ansonsten riskieren Lieferanten eine unzureichende Wirtschaftlichkeit ihrer Angebote.
Cockpit-User verpassen keine erfasste Entgeltanpassung: Bei Aktivierung einer Alarmierungsfunktion können sie sich gezielt über die veränderte Kostenlage in relevanten Netzgebieten informieren lassen.
Behalten auch Sie mit den Informationen zu endgültigen Preisblättern die Deckungsbeiträge ihrer Tarife stets im Blick und erhalten so eine transparente Entscheidungsgrundlage zur Neukalkulation oder Justierung vorhandener Angebote.
* Der Durchschnitt wurde über die Anzahl aller relevanten Postleitzahl-Netzbetreiber-Kombinationen der Erhebungsbasis gebildet, ohne deren Größe in der Fläche oder die Anzahl von Marktlokationen zu berücksichtigen. Gab es mehrere Netzbetreiber je PLZ, ging jeder Wert in die Durchschnittsermittlung ein.
** In die vorläufige Kostenbetrachtung flossen die Arbeits-, Leistungs- und Grundpreise sowie die von den Netzbetreibern ausgewiesenen Kosten für die Messdienstleistung für konventionelle Messeinrichtungen (kME) bei jährlicher Abrechnung ein.