BNetzA bereitet Festlegung zur sachgerechten EE-Mehrkosten-Verteilung vor
Schon seit Jahren wird im Zuge der Energiewende eine zunehmend ungerechte Kostenbelastung aus Stromnetzentgelten in verschiedenen Regionen Deutschlands angeprangert. Als einer der wesentlichen Kostentreiber wird in diesem Zusammenhang die Integration von Anlagen Erneuerbarer Energien (EE)* angesehen. Ihr wachsender und schneller Ausbau und Anschluss führt zu steigenden Kosten für die Netznutzerinnen und Netznutzer in den jeweiligen Stromnetzen und damit zu überregionaler Ungleichverteilung. Dies schmälert auch die Akzeptanz der Energiewende. Diese kann als gesamtgesellschaftliche Aufgabe angesehen werden und sollte daher solidarisch finanziert werden.
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat vor diesem Hintergrund ihren Entwurf für eine gerechtere Verteilung vorgelegt. Während von anderer Seite unter anderem eine bundesweite Angleichung der Netzentgelte auf Verteilnetzebene in Erwägung gezogen wurde, sieht die BNetzA dagegen eine Abschöpfung von erheblichen EE-Mehrkosten betroffener Netzbetreiber und deren bundesweite Wälzung auf Netznutzerinnen und Netznutzer über eine Umlage vor. Stromkundinnen und -kunden würden in den entlasteten Netzgebieten von niedrigeren Netzentgelten profitieren. Wirksam werden soll der neue Mechanismus schon ab 2025.
Stromnetzentgelte für Haushaltskunden
Hintergrund: Regionale Unterschiede und Belastungen
Viele Stromverteilernetze werden für die Aufnahme und den Weitertransport des regional erzeugten erneuerbaren Stroms ausgebaut und digitalisiert. Dies verursacht zusätzliche Kosten. Diese treten bundesweit in unterschiedlichem Maße auf. Grund dafür ist, dass Windenergie vorwiegend im Norden und großflächige Freiflächen-Photovoltaik in überwiegend ländlichen Regionen entstehen.
Alle Netzkosten werden über die Netzentgelte durch die Stromkunden refinanziert. Hierbei tragen die Kunden in den Netzregionen, die nach den Vorschlägen der BNetzA entlastet werden sollen, derzeit alle Kosten für die Integration der erneuerbaren Stromerzeugung. Damit verteilen sich die Kosten aktuell nicht gleichmäßig auf alle Netznutzer.
Die Netzentgelte (inkl. Messung und Messstellenbetrieb) machen als Bestandteil der Stromkosten laut BDEW im bundesweiten Mittel für Haushaltskunden einen Anteil von rund 28 Prozent (%) aus. In weiten Teilen Nord- und Nordostdeutschlands sind die Netzentgelte merklich höher als in anderen Regionen Deutschlands. Auch innerhalb einiger Bundesländer wie zum Beispiel Bayerns und Baden-Württembergs unterscheiden sich die Netzentgelte deutlich.
Diese Entwicklung hat auch nach Einschätzung der BNetzA über die Jahre eine nicht weiter hinnehmbare Dimension angenommen. Sie würde sich mit dem weiteren Ausbau der EE verschärfen. Mit der Novelle des Energiewirtschaftsrechts im Dezember 2023 hat die BNetzA die Kompetenz erhalten, entsprechende Entscheidungen zu den Netzkosten zu treffen.
Müller: „Wollen Regionen mit viel Erneuerbaren Energien spürbar entlasten“
Die BNetzA hatte daraufhin im Mai 2024 den Entwurf einer Festlegung zur Verteilung der Mehrkosten veröffentlicht, die in Verteilernetzen mit besonders viel erneuerbarer Stromerzeugung entstehen. Nach der Veröffentlichung eines Eckpunktepapiers im Dezember 2023 war diese zweite Konsultation die Vorbereitung für die endgültige Entscheidung im Spätsommer 2024. Die Bundesnetzagentur beabsichtigt, die Festlegung im dritten Quartal 2024 zu erlassen. Die Entlastung soll dann zum 1. Januar 2025 wirksam werden.
„Wir wollen faire Netzentgelte für die Menschen und Unternehmen, die in Regionen mit einem starken Ausbau der Erneuerbaren leben beziehungsweise wirtschaften. Die Energiewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe, und Investitionen in die Netze kommen allen zugute. Unser Ziel ist es, eine gerechtere Verteilung der Kosten zu erreichen,“ erklärte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, anlässlich der Präsentation des Festlegungsentwurfs.
Gestuftes Modell zur faireren Kostenverteilung
Die BNetzA beabsichtigt auch nach der Konsultation des Eckpunktepapiers ein gestuftes Modell. Der erste Schritt ist die Ermittlung, ob ein Netzbetreiber von einer besonderen Kostenbelastung aus dem Ausbau der EE betroffen ist. Hierzu legt die BNetzA eine Kennzahl fest. Diese setzt die ans Netz angeschlossene erneuerbare Erzeugungsleistung (abzüglich der abgeregelten Leistung) ins Verhältnis zur Verbrauchlast im Netzgebiet. Dabei werden auch Kosten für das Engpassmanagement berücksichtigt. Neu gegenüber den ersten Eckpunkten ist, dass nunmehr auch die Rückspeisung aus nachgelagerten Netzen dritter Netzbetreiber in die Ermittlung der Kennzahl einbezogen wird. Das erhöht die individuellen Kennzahlen.
Wenn diese Kennzahl eines Netzbetreibers den festzulegenden Schwellenwert von 2 überschreitet, kann die in einem zweiten Schritt ermittelte Mehrbelastung bundesweit verteilt werden. Dabei hat die Bundesnetzagentur jetzt einen Korrekturfaktor von 10 % eingezogen, um eventuell verbleibende andere Faktoren zu erfassen. Es können also 90 Prozent der ermittelten Mehrkosten weitergegeben werden. In den betroffenen Regionen sinken die Netzentgelte.
Aktuell wären nach Angaben der Regulierungsbehörde 26 Netzbetreiber in Zuständigkeit der BNetzA berechtigt, ihre Mehrkosten zu wälzen. Bei den betroffenen Netzbetreibern wären die Netzentgelte wie im Fall der WEMAG Netz GmbH um bis zu 39 % gesunken. Sie lägen damit meist unter und nur zum Teil noch leicht über dem Bundesdurchschnitt. Ein durchschnittlicher Haushalt (mit einem Stromverbrauch von 3.500 kWh/Jahr) in den begünstigten Netzgebieten spare dadurch bis zu 200 Euro im Jahr, heißt es von Seiten der BNetzA. Für das Jahr 2023 ermittelte die Regulierungsbehörde anhand von Strukturdaten ein Entlastungsvolumen von insgesamt 1,55 Milliarden Euro (brutto).
Relative Abweichung der Stromnetzentgelte zu 2023
Die Karte zeigt für die 26 von der BNetzA ermittelten Netzbetreiber, die ihre Mehrkosten wälzen könnten, die relative Entwicklung der Netzentgelte (exkl. Kosten für Messung und Messstellenbetrieb) für Haushaltskunden mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh in der Niederspannung im Vergleich zu 2023. Anstelle von potenziellen Entlastungen in den Gebieten der betroffenen Netzbetreiber um bis zu 39 % kam es zu Jahresbeginn für diese Liefersituation mit einer Ausnahme zu Steigerungen um bis zu knapp 52 %.
Datenquelle: Cockpit der GET AG
Die zu entlasteten Netzbetreiber erhalten in einem dritten Schritt einen finanziellen Ausgleich für die Mehrbelastung. Die Kosten hierfür können über alle Stromverbraucher bundesweit gleichmäßig** verteilt werden.
Wälzung der Mehrkosten über Mechanismus der § 19 StromNEV
Konkret beabsichtigt die BNetzA, den Mechanismus nach § 19 StromNEV zu nutzen. Dieser bewirkt schon heute einen Ausgleich bestimmter Netzkosten zwischen allen Netznutzern, abgesehen von der Gruppe der Letztverbraucher, die eine Privilegierung nach § 21 Abs. 1-5 EnFG in Anspruch nehmen. Die so genannte „§ 19-StromNEV-Umlage“ ist Bestandteil des Strompreises. Sie dient derzeit dazu, entgangene Erlöse eines Netzbetreibers auszugleichen, die entstehen, weil bestimmte Verbraucher ein reduziertes Netzentgelt zahlen.
Der deutlichen Entlastung der betroffenen Regionen stehen laut BNetzA damit überschaubare zusätzliche Kosten für alle Stromverbraucher gegenüber. Der Aufschlag auf das Netzentgelt wäre laut BNetzA in 2024 um 0,605 ct/kWh höher ausgefallen. Dies bedeutet für einen durchschnittlichen Haushalt (3.500 kWh/a) zusätzliche Kosten von etwa 21 Euro pro Jahr. Zahlen für 2025 kann die BNetzA nach eigenen Angaben noch nicht nennen.
Großverbraucher profitieren laut Regulierungsbehörde weiterhin von einer Reduzierung der Umlage nach § 19 StromNEV, die unverändert erhalten bleibt. Demnach beträgt die Mehrbelastung für Industrie und sonstige Großverbraucher durch den Mechanismus nach § 19 Abs. 2 StromNEV maximal etwa 6.050 Euro im Jahr.
Fazit und Ausblick
Auch wenn nicht von einer großen Reform der Netzentgelt-Systematik die Rede ist, treibt die BNetzA ihren Plan zur faireren Verteilung der EE-Mehrkosten stringent voran: Sie hat bereits bis zum 14. Juni 2024 Stellungnahmen zur Konsultation des Festlegungsentwurfs entgegengenommen und für das dritte Quartal dieses Jahres eine Veröffentlichung der finalen Festlegung angekündigt. Es bleibt abzuwarten, ob es darin noch zu wesentlichen Änderungen kommen wird.
Wird der Zeitplan eingehalten, könnten Verteilnetzbetreiber damit erstmals zum 1. Oktober 2024 ihre EE-Mehrkosten ermitteln, damit diese dann ab dem 1. Januar 2025 bundesweit gewälzt werden können. Stellen die Verteilnetzbetreiber allerdings bis zum 1. Oktober keinen Antrag, verlieren sie ihren Anspruch auf die Wälzung ihrer Mehrkosten und die Entlastung ihrer Netzkundinnen und Netzkunden. Wie es von Seiten der BNetzA weiter heißt, kann die Zahl der zu entlastenden 26 Verteilnetzbetreiber in 2024 noch steigen.
Die Wälzung der EE-Mehrkosten über die § 19-StromNEV-Umlage hat aus Sicht der BNetzA den Vorteil, dass es sich dabei um einen etablierten Mechanismus zum Ausgleich bestimmter Netzkosten zwischen allen Netznutzerinnen und Netznutzer handelt. Es bedarf somit nicht der Einführung einer neuen Umlage, was keine grundsätzlichen Auswirkungen auf die Vertragsverhältnisse mit Stromkunden hätte, zusätzliche Aufwände für die Stromvertriebe und ihre Dienstleistungsunternehmen sowie noch höheren Kommunikationsaufwand nach sich ziehen würde.
* In einigen Stellungnahmen zum Eckpunktepapier wurde Kritik daran geäußert, hinsichtlich der energiewendebezogenen Mehrkosten nur die Integration von Anlagen Erneuerbarer Energien heranzuziehen. Man könnte auch lastseitige Effekte (Ladesäulen, Wallboxen, Wärmepumpen etc.) berücksichtigen.
** In einigen Stellungnahmen zum Eckpunktepapier wurde Kritik am Vorschlag der Wälzung über den Mechanismus der § 19-StromNEV-Umlage geäußert, eine gesonderte Umlage gefordert oder eine direkte Einrechnung in die Netzentgelte vorgeschlagen. Die Kritik bezieht sich unter anderem darauf, dass im § 19 Abs. 2 StromNEV verschiedene Ausnahmen beziehungsweise Begrenzungen für einzelne Kundengruppen enthalten seien. Die Kundengruppen würden deshalb nicht im gleichen Maße belastet.
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